Bergkapelle „Maria Hilf“
Beglaubigte Abschrift der auf dem altare portatile angebrachten Urkunde.
„Anno MCMXXXIV die XV mentis Novembis. Ego + Matthias, Episeopus He. bipolensis, conseravi altare hoc portatile et Reliquias Sanctorum Martyrum Eugani, Felicis, Urbanie in eo inclusi.“
Obige Abschrift stimmt mit dem Original überein.
Dies bezeugt: Tauberrettersheim, den 5. Mai 1936 Kath. Pfarramt: Pfr. Apprich
In mäßiger Anhöhe des Holzbergs, der zum Karlsberg führt, ist eine kleine, einfache und schlichte Kapelle erbaut worden: Die „Bergkapelle Maria Hilf“. Edel in ihrer der Landschaft entsprechenden äußeren Form scheint sie mit dem romantischen Taubergrund eins und untrennbar zu sein. Gleichsam aus dem berge herauswachsend grüßt sie freundlich hinab ins Taubertal, talaufwärts nach Röttingen, talabwärts ins Württembergische. Zur künstlerischen Ausgestaltung der Bergkapelle wurden verschiedene alte Statuen verwendet, die zum Teil aus der alten Pfarrkirche stammen, im Privatbesitz waren und durch Restaurierung dem Untergang entrissen worden sind. Die Einweihungsfeierlichkeiten finden statt: Sonntag, 21. Juni vorm. 8.30 Uhr und nachm. 2 Uhr, wozu Gäste aus nah und fern eingeladen sind.
Einweihung der Bergkapelle „Maria Hilf“
Am Sonntag, 21. Juni wurde die neuerbaute Bergkapelle „Maria Hilf“ bei Tauberrettersheim feierlich eingeweiht. Kapuzinerpater Beda aus Mergentheim schilderte den Gläubigen in begeisternden Worten Maria als Helferin der Christen. Die kirchliche Weihe vollzog der Priesterjubilar Jos. Sorg, früher Pfarrer in Riedenheim. Pfarrer Apprich feierte in der Kapelle das erste hl. Opfer, wobei zwei aus Tauberrettersheim stammende Priester (Franziskanerpater Burkard-Bamberg und Kaplan Löber-Thüngersheim) levitierten. Am Nachmittag stieg die Prozession, noch größer als vormittags, von der Pfarrkirche zur halben Höhe des Holzberges. P. Burkhard weihte die Kreuzwegstationen nach einer ernsten Predigt über das Kreuz als Mahn-, Warn- und Siegeszeichen. Nach der Kreuzwegandacht war vor der Kapelle eine schöne, vom Ortspfarrer vorbereitete und geleitete Gemeindefeier, bei der Kinder sinnige Gedichte vortrugen, die z. T. von einer einheimischen Dichterin für die Feier verfasst waren. Pfarrer Apprich dankte herzlich allen, die zu dem frommen Werk mitgeholfen haben, besonders den beiden aus der Gemeinde stammenden Großkaufleuten Martin und Ludwig Raupp aus München, denen größtenteils der Bau der Bergkapelle zu verdanken ist. Kirchenpfleger Fries sprach im Namen der Pfarrgemeinde dem Pfarrherrn den gebührenden Dank aus für seine Mühen zum Gelingen des Baues. Die schöne Bergkapelle „Maria Hilf“ wird nicht nur wegen ihrer schönen Lage viele Besucher anziehen, sie wird auch eine Stätte des Gebetes und der Gnade werden kraft der Weihe, die sie empfangen hat.
Würzburger Kath. Sonntagsblatt Juni 1936 N. 27
Die neue Bergkapelle in Tauberrettersheim
Wenn man von Röttingen aus das herrliche Taubertal entlang nach Tauberrettersheim wandert, dann grüßt schon lange bevor man zu der um 1733 von Balthasar Neumann erbauten Tauberbrücke kommt von halber Höhe des Holzbergs herab die jetzt neu erbaute „Bergkapelle Maria Hilf“. Es war ein glücklicher Gedanke, gerade diese Stelle für das schmucke Kirchlein zu wählen, das sich gerade hier und dazu in der ihm eigenen Aufmachung so ganz mit der Landschaft vermählt. Unten im Tale die Tauber mit ihrer so markanten bedeutsamen alten Steinbrücke, jenseits der Tauber der sich breit hinlagernde Ort mit seinem imposanten nachgotischen Kirchturm aus der Zeit um 1600, und dann gleich hinter dem Orte der Holzberg mit unserer Kapelle, überkrönt und umrahmt von dem satten Dunkelgrün des sich direkt dahinter erhebenden, breit gelagerten Karlsberg mit seinen reichen Waldungen. Ist die Kapelle auch erst heuer erbaut worden, so kann man sie sich schon jetzt gar nicht mehr aus dem Landschaftsbild hinwegdenken. Sie gehört unbedingt dorthin.
In etwa 10 Minuten bis höchstens ¼ Stunde ist sie vom Orte aus bequem zu erreichen und ganz überrascht steht man vor dem kleinen Gotteshause, das dem rührigen Pfarrherrn von Tauberrettersheim, H. Pfarrer Apprich und seiner opferbereiten Gemeinde alle Ehre macht. Die Kapelle ist erbaut von dem ortsansässigen Baumeister Sebastian Schiffmann auf Grund einer Skizze eines bekannten Würzburger Kunsthistorikers in einfachem Spätbarock. Von ihrem hübschen Turme klingt weit ins Taubertal der silberne Klang ihrer Glocke. Hier hat die ganze Gemeinde aus vollem Herzgrunde mitgebaut zur Ehre Gottes und zur Verherrlichung der hehren Gottesmutter. Die Fuhren, die zum Baue nötig waren, wurden von der Gemeinde gratis geleistet, die nötigen Erdarbeiten wurden von der Burschenwelt für Gotteslohn verrichtet und auch im Übrigen zeigte sich die ganze Gemeinde beim Bau und der Inneneinrichtung stets opfer- und hilfsbereit.
Verdient schon der ganze Außenbau volle Beachtung, so ist man noch mehr überrascht, wenn man das Innere der Kapelle betritt. Der Altar hat eine nach altchristlicher Art gemauerte Mensa, an deren Vorderseite sofort ein reicher Reliquienschatz in hübscher Fassung und kunstvoller Filigranarbeit in die Augen fällt. Und über der Mensa erhebt sich dann die 1,21 Meter hohe glanzvolle
Statue der Madonna als Himmelskönigin
in ihrer ganzen Hoheit und Würde, aus deren edlem Gesichtsausdruck aber zugleich auch die mütterliche Milde spricht. Auf der Weltkugel stehend hat sie in der Rechten das Szepter, während sie auf dem linken Arm das so liebliche, pausbackige Christuskind trägt. Die Statue, die aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammen dürfte, ist ihrer ganzen Auffassung und Darstellung nach nahe verwandt mit der bekannten Madonna auf der Mariensäule vor dem Rathaus in Eibelstadt.
Wenden wir uns nun nach links, so werden wir noch mehr überrascht von einer ganz herrlichen Madonna die sich hier in der Mitte der linken Längswand in einer Nische befindet, die Gottesmutter als Immaculata, als unbefleckte Empfängnis, ein Meisterwerk Johann Auweras. Welch bewegter Linienschwung und welch sprühender Lichtglanz tritt uns doch gerade in dieser etwa 1 Meter hohen Madonnenfigur entgegen, die schon leicht hinübergleitet aus dem Barock in ein ganz feinsinniges Rokoko, die in ihrer so wohlgelungenen neuen Fassung uns die liebliche Jungfrau geradezu in ihrer ganzen Verklärung zeigt. Es ist ein großes Verdienst des Pfarrherrn von Tauberrettersheim, dass dieses hohe Kunstwerk, das bis jetzt ein ganz unbekanntes Dasein geführt hat und in seinem unteren Teil bereits schon vom Holzschwamm angefressen war, gerade noch rechtzeitig vor seinem Untergang gerettet worden ist.
Von den übrigen alten Holzplastiken der Kapelle sei noch kurz hingewiesen auf eine Große Pieta und drei größere Kruzifixe. Sind diese auch teilweise etwas mehr handwerklicher Art, so bieten sie doch kunsthistorisch gar manches Interessante. Wer alle diese Plastiken vor ihrer Restaurierung gesehen hat und sie jetzt wieder betrachten kann, ist überrascht darüber, in welch hervorragend künstlerischer Weise und voller Einfühlung in die alte Gestaltung die Restaurierung und neue Fassung gelungen ist. Die so vorzügliche Restaurierung stammt von dem jungen Kunstbildhauer Georg Henn, die so treffliche neue Fassung von dem Bergolder Weber, beide aus Würzburg.
Von den beiden ganz beachtlichen Gemälden, die die Kapelle zieren, muss besonders noch hingewiesen werden auf das
große Tafelbild an der Rückwand der Kapelle,
das auch ikonographisch von besonderer Bedeutung und großem Interesse ist. Der untere Teil des Bildes zeigt in der Mitte die hoheitsvolle Gestalt der Himmelskönigin stehend, mit dem Gotteskinde auf dem Arm, zu beiden Seiten Engel und Spruchbänder. Die obere Hälfte zeigt die drei Personen der heiligen Dreifaltigkeit, von denen je ein Lichtstrahl herunter geht auf die Gottesmutter mit den Inschriften „Dei patris filia“ (Tochter Gott Vaters), „Filii Die mater“ (Mutter des Sohnes Gottes), „Spiritus sancti sponsa“ (Braut des Heiligen Geistes). Ich kenne in der ganzen Ikonographie keine zweite Darstellung, wo in gleicher oder ähnlicher symbolischer Weise die Verbundenheit der Gottesmutter mit den drei göttlichen Personen zum Ausdruck gebracht wird. Das einzige Bild mit ähnlichem Gedankeninhalt, das die christliche Kunstgeschichte kennt und das hier vielleicht zum Vergleich in Frage käme, stammt aus dem 10. Jahrhundert, reicht aber in der ganzen Darstellung und originellen Auffassung in keiner Weise an das Bild unserer Kapelle heran.
Es wäre an sich noch so manches von der hübschen und künstlerisch so gediegenen Ausstattung der neuen Kapelle zu berichten. Doch wir müssen uns heute nur auf das Bedeutsamste beschränken. Was hier an alten hohen künstlerischen Kulturwerten gerettet und Neues geschaffen worden ist, verdient mit vollem Rechte allgemeine Anerkennung und Bewunderung. Und reicher Segen wird von dieser so herrlichen Bergkapelle Maria Hilf als einem Gnadenorte unserer lieben Herzogin in Franken, der ja das Frankenland seit alters her zu eigen ist, ausströmen und bedrängten Herzen Trost und Hilfe spenden in Gegenwart und Zukunft.
Artikel vom Juni 1936
Idylle auf dem Berg
„Maria-Hilf-Kapelle“ in Tauberrettersheim
Tauberrettersheim (CO) „Das is so ein schöner Platz. Da gehört eine Kapelle hin“, zitiert Hedwig Raupp Pfarrer Apprich. Am Ende der Brunnensteige beginnt der von einem Kreuzweg gesäumte Hohlweg und führt geradewegs zur Bergkapelle „Maria Hilf“.
Wahrlich idyllisch ist der Blick auf das Dorf hinunter. Eine schöne Rodelstrecke ist es außerdem und, so erinnert sich Hedwig Raupp an ihre Kindheit, als sie manchmal zum Gottesdienst rauf gerannt ist, „da hat man nicht schnaufen können wenn man vorbeten musste“.
Zu Pfarrer Apprichs Zeiten gab es immerhin im Sommer noch jede Woche einen Gottesdienst in der Kapelle. Heute begrüßt man den Mai dort, kommt jeden Sonntagabend zur Maiandacht herauf, ab und an zu einer Taufe.
Die Bittprozession, die früher nach Röttingen wallte, zieht heute ebenfalls zur Kapelle. Vom Josefstag bis Ende Oktober ist täglich geöffnet.
Ehrenbürger und Pfarrer Wilhelm Apprich (1876 bis 1961) war in Tauberrettersheim von 1926 bis 1955 Pfarrer. 1935 weihte er die Kapelle Maria Hilf ein. Offenbar überzeugte seine Begeisterung für das Fleckchen auch seine Gemeinde – selbst gegen den Strom der nationalsozialistischen Zeit.
Der Vater habe den Grund gegeben, von der Tür abwärts – der Rest gehörte der Gemeinde – und die Onkel in München haben Spenden gesammelt für die Kapelle zu Hause, erklärt Hedwig Raupp.
Entstanden ist sie dann mit Hilfe von viel Eigenarbeit der Bürger, die selbst die eigenen Haus-Madonnen für Ausstattung der Kapelle gaben.
Den gleichen Gemeinsinn bewiesen die Tauberrettersheimer dann nochmals nach dem Krieg, als sie den Kreuzweg stifteten. Die kleinen Beete vor den Stationen werden noch heute von den Familien der Stifter gepflegt.
Dem Pfarrer als Erbauer und den Brüdern Martin und Ludwig Raupp als Wohltätern der Bergkapelle sind die Gedenktafeln an der Rückwand der Kapelle gewidmet.
Votivtafeln zeugen in der Maria-Hilf-Kapelle davon, wie flehentliche Gebete erhört und wunderbar geholfen wurde. Nur gegen Diebstahl war auch diese Madonna nicht gefeit. Vor gut 20 Jahren wurde sie gestohlen. Wertvoll soll sie gewesen sein, aus der Werkstatt Auweras.
Die zarte, hübsche Madonna mit ihrem Kind, die den Blick heute auf sich zieht, ist eine nach einer Fotografie gefertigte Kopie. Thaddäus steht zu ihrer linken und St. Joseph zur rechten, während die anderen Madonnen vorsichtshalber in die Pfarrkirche gebracht wurden.
Zeitungsartikel vom 7. Mai 2002